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Carlsberg-Trophy in Dublin Grounds u. a. in BelfastWieder einmal führte uns unser Urlaub (nicht ganz zufällig) 4 Wochen lang in englischsprachige Regionen Europas. Nachdem bereits Anfang des Jahres die Fähren - und damit der zeitliche Rahmen - gebucht waren, hörte ich mich in der großen weiten Welt nach interessanten Fußballevents in dieser Zeit in Ir-, Schott- und Nordengland um. Und ganz zufällig kreuzten sich unsere Wege mit der Carlsberg-Trophy in Dublin, einigen interessanten Spielen in Glasgow und dem absoluten Highlight, Inverness vs. Livingstone - einem Match der 2. Schottischen Division (= 3. Liga). Da ich die gesamte Planung in der Hand hatte, konnte sich der Rest der Familie nur schwer dagegen wehren, daß ich unsere Rückfähre von Irland nach Schottland einfach einen Tag nach vorn umbuchte, damit wir rechtzeitig zum Freundschaftsspiel Celtic Liverpool in Glasgow eintrafen. Doch der Reihe nach. Nach 3 ½ Tagen Über- und Unterwasserfahrten (mit Fähren und durch Wolkenbrüche) hatten wir unseren ersten Zeltplatz nördlich von Dublin erreicht. Dort fand die Carlsberg-Trophy, ein 2tägiges Turnier (mit Liverpool, Leeds, Lazio Rom und St. Patricks Athletic) statt, von dem übrigens auch auf dem DSF ziemlich ausführlich berichtet wurde. Am ersten Tag gab es abends die beiden Halbfinals, am zweiten Tag nachmittags das kleine und das große Finale. Da Marc mit seinen 2 ½ Jahren immer noch nicht in dem Alter ist, in dem er sich "mitten in der Nacht" in Stadien rumdrücken kann, beschränkten wir uns am Freitag auf einen ausführlich Stadtbummel, einer Besichtigung der Guiness-Brauerei (Museum inklusive Verkostung unbedingt zu empfehlen!) und die anschließende Suche nach Eintrittskarten für den Sonnabend. Am Stadion in der Lansdowne Road fanden wir zwar keine Tickets, aber ein paar hilfsbereite Ordner. Trotz ihres starken irisch-englischen Slang begriff ich schließlich, daß der Kartenverkauf ausschließlich über ein Musik(!!!)geschäft in der City abgewickelt wurde, an dem wir beim Stadtbummel schon dreimal vorbei gekommen waren. Also zurück durch die Dubliner Rush-hour ins Zentrum, die Schlange vor dem Music-Shop (es war 1½ Stunden vor Beginn der Spiele des ersten Tages) ließ uns dann den Kartenkauf doch auf den nächsten Vormittag verschieben. Ohne Anstehen klappte es am Sonnabend auch mit den Tickets, "lediglich" 72 Irische Pfund (ca. 180 DM) wollte man dafür nicht unbedingt ein Beitrag zur Festigung des Familienfriedens. Das Parken am Ground klappte "dank" meines halben Beines prima: Eine Nachfrage bei einem der Ordnungshüter und wir hatten freie Fahrt in das an diesem Tag abgesperrte Wohngebiet, in dem das Stadion (eigentlich ein Rugby-Stadion) liegt und konnten fast direkt am Eingang parken. Leuten mit 2 gesunden Beinen kann man (wie bei vielen Stadien auf den beiden Inseln) nur die Anreise mit Bus, Taxi oder zu Fuß empfehlen. Marc, natürlich mit LFC-Trikot, sang auf dem kurzen Weg zum Stadion seinen Lieblingssong, der voll zu diesem Tag paßte "Walk on, walk on, with hope in your heart..." (Kann er fast vollständig!).
Der Ground war gut zu zwei Dritteln gefüllt (28.000 Zuschauer), überwiegend mit rotgekleideten, fast ausschließlich irischen, Liverpoolfans. Insgesamt erinnerte mich die Zusammensetzung des Publikums aber stark an das Hallenmasters in München: viele Kinder und Jugendliche, so daß die richtige Anfield-Road-Atmosphäre leider nicht aufkam. Lediglich 200 Fans waren direkt aus Liverpool angereist, sie hatte man aber völlig isoliert von den anderen Besuchern (Warum???) in einem Block auf die Nordtribüne verbannt. Im Spiel um Platz 3 gewann Lazio 4:1 gegen die sich tapfer wehrenden Iren von St. Patrick. Das Finale stand dann völlig im Zeichen von Michael Owen, der nach der WM das erste Mal von Beginn an spielte. Jeder Rockstar wäre neidisch auf das, was sich bei der Nennung des Namens der Liverpooler Nr. 10 abspielte Applaus, Schreien, Kreischen, Toben, als ob er England zum WM-Titel geschossen hätte. Es war aber auch allererste Sahne, was der 18jährige im Match ablieferte. Zwar standen ihm immer 2 bis 3 Spieler von Leeds auf den Hacken, es hatte jedoch wenig Zweck: Wenn Owen am Ball war, ging ein Raunen über die Tribünen; Ball annehmen und mit den Verteidigern "Karussell fahren" war eins, letztendlich beendeten oft nur Fouls seinen Drang zum Tor. In der 2. Halbzeit nutzte aber alles nichts, 1:0 durch Michael Owen. Bereits 30 s nach Wiederanstoß schlug es wieder im Tor von Leeds United ein, das 2:0 war dann auch der Endstand. Von Dublin aus führte uns unsere Route nach Nordirland und wir schlugen in der Nähe von Coleraine unser Zelt auf, daß zwar auf der grünen Insel nie ganz trocken wurde, aber dicht hielt. Seltsamerweise langte unsere Zeit nicht für einen Besuch beim dortigen FC (u.a. EC-Gegner von Lok), aber mit einem Besuch in der Bushmills-Destillery (Wer schon in schottischen Whiskydestillen war, wird enttäuscht sein.) und verschiedenen Touri-Einlagen (Hier gibt es Traumlandschaften!) waren wir ausgelastet. Einen Tag hatten wir uns komplett für Belfast aufgehoben. Der übliche Stadtrundgang in der City war etwas enttäuschend, außer einigen architektonisch interessanten Gebäuden (zumeist Banken) ist im Zentrum der schmuddeligen Hafenstadt nichts besonders erwähnenswert. Ausnahme: Jene Kreuzung aus Mondfahrzeug, Geldtransporter und Panzerspähwagen, die plötzlich um die Ecke kam und sich als Polizeifahrzeug entpuppte. Sofort wurde einem klar, das Belfast keine Stadt wie jede andere ist. Nach einer mittäglichen Stärkung bei der weltweit anzutreffenden Firma namens "Mc" starteten wir mit dem Stadtplan (Die 4 £ lohnen sich in jeder größeren Stadt, man spart Zeit, Nerven und Benzin.) bewaffnet zur Stadiontour. Erstes Ziel war Glentorans "Oval Ground" in der Mersey Street. Sofort, als wir die City verließen, wurde uns die politische Brisanz der nordirischen Hauptstadt unübersehbar vor Augen geführt: In dem protestantischen (= pro-britischen) Stadtteil Sydenham, gewiß keine Nobelgegend, wehten unzählige Union Jacks oder Flaggen des Oranje-Ordens, blau-rot-weiße Wimpelketten in der kleinsten Gasse, selbst alle Bordsteine waren in diesen drei Farben gestrichen. Viele Häusergiebel waren mit politischen Wandmalereien verziert, die in Ausführung und grafischer Qualität jegliche Graffitisprühereien zu Kinderkrakeln degradieren. Über die inhaltliche Bedeutung lasse ich mich an dieser Stelle lieber nicht aus, da ich nie kapieren werde, wieso sich hier die Iren, die ja sonst freundlich und aufgeschlossen gegenüber jedermann sind, gegenseitig die Köpfe einschlagen. In der Nähe des Grounds standen wir vor dem Problem, daß anscheinend alle Straßen, die laut Stadtplan zum Stadion führten, als Sackgassen an der Stadionmauer endeten. Schließlich hatten wir aber bei der vorletzten Gasse Glück und fanden das weit geöffnete Tor.
"The Oval" ist keines der hypermodernen All-Seater-Stadien, sondern eher in die Kategorie rustikal einzuordnen. 2 Tribünen auf den Geraden, die vielleicht vor 40 Jahren mal neu waren, ansonsten weite Stehplatztraversen. Nach der Groundbesichtigung standen wir vor dem Souvenirshop nur leider war die Jalousie unten. Also sprach ich einen Typen in Arbeitsklamotten an, der dort herumsauste. Kurz entschlossen schloß er den Laden auf und verkaufte uns einen Schal. Nach einem kurzen Schwätzchen, woher wir kämen und warum wir uns im Urlaub in Stadien herumdrücken, lud er uns zu einer Privattour durch die Clubräume ein, die Trophäensammlung eingeschlossen. Mit besonderem Stolz verwies er auf einen Pokal, den Glentoran 1998 gewonnen hatte das nordirische Gegenstück zum englischen F.A.-Cup. Leider konnte ich ihm über den FCC nichts ähnlich glorreiches berichten, aber wenigstens half in dieser und ähnlichen Situationen immer ein Hinweis auf die Jenaer "good old times" in den 60ern und 70ern und die zahlreichen EC-Spiele. Danach ging es quer durch die Stadt zum Windsor Park.
Der gleichnamige Stadtteil, in dem das Stadion des FC Linfield liegt, ist dem äußeren Anschein nach als gutbürgerliche Wohngegend einzustufen. Die Zufahrt ins Stadiongelände bereitete keinerlei Probleme, auch hier waren alle Tore weit offen. Einer Besichtigung stand also nichts im Wege. Uns vielen sofort die Sicherheitszäune auf, die die Ränge vom Spielfeld trennten: kein simpler Zaun, sondern oben mit messerscharfen Eisenspitzen und zusätzlich durch Stacheldrahtrollen gesichert ein Tribut an die spezifische Belfaster Situation ? Der Clou in dem Stadion mit 3 nagelneuen Tribünen, waren die Stehplätze vor der älteren Haupttribüne, die sicherlich besonders für Schuster und Orthopäden interessant sind, denn die Traversen sind dort so tief angelegt, daß sich die Augen maximal auf Rasenhöhe befinden. Leute unter 1,65 m sollten sich eine Fußbank zum Draufstellen mitbringen, sonst sehen sie vom grünen Rasen gar nichts. Für Jena-Fans, die das Problem eines fehlenden Fanshops kennen, gibt der FC Linfield Nachhilfeunterricht, daß man auch mit wenig Aufwand in dieser Beziehung den Fans gerecht werden kann. Neben dem Haupttor befand sich ein kleiner Laden (max. 25 m²), in dem alle Clubartikel angeboten wurden; es muß also nicht unbedingt ein Superstore á la Man U oder Rangers sein. Den Rest des Tages nutzten wir zu einer Fahrt durch die Stadtteile Shankill (protestantisch) und Falls (katholisch = pro-irisch). Auch hier Flaggen und Wimpelketten überall, obwohl kein Feiertag war: Union Jack und blau-rot-weiß bei den einen und in den irischen Nationalfarben grün-weiß-orange bei den anderen. Zwischen beiden Vierteln verläuft die "Line of peace", eine Mauer, die der früheren in Berlin fast ebenbürtig ist. Die Straßen werden nachts durch große Tore abgeriegelt, so daß eine vollständige Trennung gewährleistet ist. Endgültig wird dem Besucher der politische Sprengstoff durch den Anblick der Polizeistationen (siehe Foto) in dieser Stadt klar Hochsicherheitstrakte mit meterhohen Mauern, Eisentoren und Überwachungskameras. Zusätzlich stehen sie zum Schutz vor Bomben-, Raketen u.ä. Angriffen jeweils in riesigen, auch oben geschlossenen Metallkäfigen jeder Zoo würde sich über solche Freivolieren freuen. Ist schon seltsam: Ich kenne den Namen "Belfast" seit Anfang der 70er Jahre aus den TV-Nachrichtensendungen, aber man muß selbst hier gewesen sein und halbwegs zu begreifen, was das Wort "Bürgerkrieg" in Nordirland bedeutet, daß man sonst nur aus den Medien kennt.
Am nächsten Tag ging dann unsere Fähre nach Schottland, denn in Glasgow wollten wir Celtic einen Besuch abstatten. Also tschüß, schöne grüne, aber auch feuchte Insel! |
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